Sekundärtrauma einer angehörigen Person

Ich möchte mit meiner Stimme einen Einblick in die Welt von Angehörigen und beistehenden Personen von Betroffenen der Missbrauchstaten von G.I. geben.

„Sekundärtraumatisierung bezeichnet die psychische Traumatisierung, die bei Angehörigen und helfenden Personen durch die Begleitung und das Mitbekommen von direkter Traumatisierung entstehen kann. Sie zeigt Symptome, die denen der primär Traumatisierten ähneln.“ (Quelle: Wikipedia)

Anhand von zwei selbst erlebten Beispielen möchte ich aufzeigen, wie sich das Thema sexueller Missbrauch im Umfeld des Betroffenen auswirken kann.

Im Kino
Ich war gefangen im Gedanken-Karussel zum Thema sexueller Missbrauch am Maristen Internat Mindelheim. Ich hatte viele Fragen und suchte Antworten.

Mein Kopf lies mir keine Ruhe, meine Nächte waren schlaflos. Kaum etwas anderes hatte Platz in meiner Freizeit.

Eines Abends zwang ich mich etwas anderes in meiner Freizeit zu machen. Ich folgte einer Einladung zu einer Filmpreisverleihung.

Ich saß freudig im Kinosessel als der Gewinner-Film genannt wurde.

Der Trailer wurde gezeigt. Der Film ging um sexuellen Missbrauch im Fußballverein.

Dieser wenige Minuten dauernde Trailer löste bei mir starke und unkontrollierbare körperliche Reaktionen aus:

Ein Zittern am ganzen Körper, schweißgebadete Hände und ein Gefühl der völligen Ohnmacht. Ich wusste nicht wie mir geschieht und was ich tun sollte.

Der Gewinnerfilm wurde nicht gezeigt, wie es sonst üblich ist.

Der Abend war für mich gelaufen. Ich war wie ein ausgewechselter Mensch und paralysiert. Nur schwer konnte ich Worte herausbringen bei der anschließenden Abendveranstaltung.

Ich machte mich erschöpfter als je zuvor auf den Heimweg.

Zu Hause angekommen war ich alleine mit meinem Erlebten in einem schwarzen Loch gefangen.

Im Hotel

Wenige Monate später löste ich einen Geschenk-Gutschein eine Nacht in einem schönen Hotel ein.

Zum Kopf frei bekommen und Energie tanken.

Ich kannte das Hotel von früher und fand es immer sehr schön.

Dieses Mal fiel mir beim Betreten des Hotels sehr auf, dass es einem Kloster und anderen kirchlichen Bauten sehr ähnlich ist.

Das gab mir ein unbehagliches Gefühl ohne, dass ich es sofort einordnen konnte. Als ich dann zu meinem Zimmer geführt wurde.

Welches in einem Flügel etwas abseits lag, verstärkte sich das Gefühl.

Ich versuchte das Unbehagen zu vergessen und machte mir einen schönen Tag.

Als ich nach dem Abendessen zurück kam auf mein Zimmer spürte ich eine aufsteigende Angst, die immer stärker wurde.

Die hohen Decken, das alte Gemäuer, der Blick ins Dunkle nach draußen.

Es wurde alles zu viel. Alles drehte sich.

Mir wurde heiß und kalt. Mein Herz raste. Mir wurde übel. Und ich hatte panische Angst.

Mein erster Gedanke war: was passiert hier mit mir und ich möchte jemanden um Hilfe rufen. Doch ich war wie gelähmt.

Ich versuchte mich mit Atmung zu beruhigen und legte mich ins Bett. Bestimmt brauchte ich nur Schlaf dachte ich mir.

Ich knpiste das Licht aus und es ging wieder von vorne los.

Nie kannte ich so eine panische Angst in meinem Leben.

Ich wollte nur wach sein und die Augen offen haben.

Denn wenn ich sie versuchte zu schließen schossen mir Bilder zum Thema Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen durch den Kopf.

Das Licht blieb die ganze Nacht an.

Ich reiste völlig gerädert am nächsten Morgen ab.

Mir wurde bewusst, dass ich eine Panikattacke erlebt habe.

„Eine Panikattacke ist eine plötzliche und sehr starke Angstreaktionen, die sich auch körperlich äußert. Die Angst, etwa die Kontrolle zu verlieren oder zu sterben, wird immer stärker, erreicht nach einigen Minuten ihren Höhepunkt und klingt dann meist von selbst wieder ab.“

Mut und Hoffnung

Ich wollte mit den beiden Beispielen zum Ausdruck bringen, welch weite Kreise an tiefster Dunkelheit eine Missbrauchstat im Personenumfeld der betroffenen Person zieht.

Ich weiß ich bin nicht alleine mit diesen Erfahrungen. Wenn du dich in einer ähnlichen Situation befindest als angehörige/helfende Person, finde den Mut und melde dich.

Der Austausch untereinander im geschützten Kreis mit verschiedenen Personen tut gut. Man fühlt sich weniger alleine. Es gibt Mut und Hoffnung.